Bei Großeltern lebendes Kind nicht "privilegiert"

Geschrieben von RA Christian Grema am Dienstag, 17.02.2015

Nicht "privilegiert": Ein bei seinen Großeltern lebendes, volljähriges Kind ist bei ansonsten identischen Voraussetzungen nicht einem Kind gleichzustellen, das noch bei einem Elternteil lebt.

In einem von mir betreuten Verfahren hat das OLG Hamm seine bisherige Rechtsprechung nochmals bekräftigt und gegenüber der volljährigen Tochter meines Mandanten aufgrund fehlender Erfolgsaussichten bereits die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für ein Unterhaltsverfahren verneint. Diese erfüllte die Voraussetzungen für eine Privilegierung mit der Ausnahme, dass sie nach einem Zerwürfnis nicht mehr bei ihrer Mutter lebte sondern mittlerweile bei ihren Großeltern.

Sie vertrat die Auffassung, dass es schlicht nicht sein könne, dass sie alleine aufgrund dieses Unterschieds gegenüber anderen Kindern in einer ähnlichen Situation schlechter gestellt würde. Aus diesem Grunde müsse die entsprechende Unterhaltsvorschrift (§ 1603 Abs. 2, S. 2 BGB) auf ihren Fall analog angewendet werden.

Dieser Auffassung erteilte das OLG Hamm jedoch bereits zuvor eine eindeutige Absage. Demnach handelt es sich bei der genannten Vorschrift um eine abschließende gesetzliche Regelung, die grundsätzlich nicht erweitert werden darf. Dies schon deshalb, weil mit der Privilegierung nur bestimmte volljährige Kinder - innerhalb einer bestimmten Lebenssituation - den minderjährigen Kindern ausnahmsweise gleichgestellt werden. Die Erweiterung einer solchen Ausnahmeregelung ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers. Eine Regelungslücke (Voraussetzung für eine Analogie) besteht gerade nicht.

Wann ist ein volljähriges Kind "privilegiert"? Was bedeutet dies?
Grundsätzlich haben volljährige Kinder selbst für ihren Unterhalt zu sorgen und gehen im Rang den minderjährigen Kindern nach. Existieren neben dem Volljährigen auch noch minderjährige Kinder, so erhält das volljährige Kind nur dann Unterhalt, wenn nach der vollständigen Befriedigung der Minderjährigen "noch etwas übrig bleibt".

In bestimmten Lebenssituationen führt diese grundsätzlich Nachrangigkeit jedoch zu einer übermäßigen Benachteiligung der Kinder. Aus diesem Grunde werden volljährige Kinder den Minderjährigen im Rang gleichgestellt, wenn diese als "privilegiert" anzusehen sind. Hierzu müssen die folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  • das Kind hat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet
  • das Kind ist noch unverheiratet
  • es lebt noch im Haushalt eines Elternteils
  • das Kind befindet sich noch in der allgemeinen Schulausbildung

Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, nur in dieser bestimmten Konstellation eine Ausnahme von der gesetzlichen Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter zu machen (§1609 BGB) und diese Entscheidung in einer unmissverständlichen Vorschrift niedergelegt. Diese bewusste Entscheidung kann auch nur vom Gesetzgeber geändert werden. Es ist nicht die Aufgabe der Gerichte, so das OLG Hamm, klare Vorgabe des Gesetzgebers umzudeuten.

(Quelle: OLG Hamm)
Stichworte: Familienrecht , Kindesunterhalt, Volljährigenunterhalt, Privilegiert, Großeltern
Go to top